Themenschwerpunkt Inklusion
Bezirkstagswahlprogramm
90 Prozent aller Ausgaben des Verwaltungshaushaltes gehen in die Pflege und wirtschaftliche Versorgung von Behinderten. Der Bezirk Unterfranken hat die Aufgabe, die Behindertenrechtskonvention umzusetzen, die Inklusion voranzutreiben und das Bundesteilhabegesetz umzusetzen. In der Verwaltung des Bezirks konnte man die Anforderungen des Bundesteilhabegesetzes zusammen mit den Maßnahmeträgern strukturieren. Mit der freien Wahl der Wohnung zum Beispiel, hat sich für das Angebot für Behinderte viel geändert. Im Gesamtplanverfahren ist der Mensch mit Behinderung im Rahmen seines persönlichen Budgets Chef bzw. Arbeitgeber seiner Aufträge für Wohnen, Arbeit, Pflege, Ausbildung und Partizipation. Menschen mit Behinderungen werden in Zukunft nicht nur unter den Anbietern von Verbänden der Wohlfahrtspflege oder Kommunen wählen können, sondern auch unter Privatanbietern. Als FDP wollen wir die Selbstbestimmung des Einzelnen als höchstes Gut bewahren und fördern.
Die einzelnen Planungsregionen in Unterfranken sind unterschiedlich mit Angeboten für Menschen mit Behinderung ausgestattet. Werkstätten und Arbeitsangebote auf dem freien Arbeitsmarkt sind Mangelware. Das fordert einen hohen Einsatz der Sozialhilfeverwaltung:
- Der Bezirk Unterfranken wird aufgefordert, in der Sozialhilfeverwaltung eine Anlaufstelle zur Information für Menschen mit Behinderung einzurichten – sowohl digital als auch real – und beides auf der Homepage zu präsentieren.
- Die FDP Unterfranken fordert inklusive Angebote auf allen Ebenen des Bezirks, bei Kindergärten und Schulen, in der Jugendarbeit des Bezirksjugendrings, bei den Kulturangeboten für Popmusik zum Beispiel, beim Jugendfilmfestival, den Partnerschaften, dem Theater (z.B. Schloss Maßbach), bei Vereinen und Sport, den Jugendbauhütten und der Museumsarbeit.
- Die FDP Unterfranken fordert, die Bezahlung von Leistungen für alle Anbieter von Tagesstätten, Werkstätten oder Hilfe zur Arbeit entsprechend geprüfter Qualifikation gleichzustellen.
- Die Planungsregionen in Unterfranken sind vom Bezirk in zeitlichen Abständen ein Angebot von Wohnstätten und Werkstätten oder Arbeit für Menschen mit Behinderung abzugleichen. Das Konzept „Förderung von Baumaßnahmen im Behindertenbereich statt eigener Angebote“ wird von der FDP Unterfranken unterstützt.
- Bei Werkstattgängern werden die entsprechenden Rentenbeiträge durch Leistungsträger bezahlt. Bei Inanspruchnahme des persönlichen Budgets erhält der Arbeitgeber einen Ausgleich über das Budget für Arbeit. Deshalb erfolgt bislang eine Kürzung der Rentenanwartschaft der Werkstattgänger bei einem Wechsel mit Inanspruchnahme des Budgets für Arbeit. Der Bundesgesetzgeber wird aufgefordert, die erarbeiteten Rentenansprüche additiv zu gestalten.
- Das Innenministerium in Bayern kritisiert die Höhe der disponiblen Pflichtleistungen im Bezirk Unterfranken von derzeit ca. 20 Mio. Euro im Jahr. Neue Leistungen an Verbände soll der Bezirk Unterfranken in Zukunft nur dann beschließen, wenn kein anderer Leistungsträger vorhanden wäre (wie z.B. Krankenkasse, Pflegeversicherung oder Freistaat).
- Der Bezirk Unterfranken wird aufgefordert, die Quote für Menschen mit Behinderung bei der Stellenbesetzung in Bezirksverwaltung und Wirtschaftsbetrieben zu erfüllen.
- Inklusion und Teilhabe funktioniert nur durch Barrierefreiheit und Offenheit im Denken und politischen Handeln. Wir wollen dem Rechnung tragen, finanziell und politisch. Chancengleichheit auf allen Ebenen ist unser erklärtes Ziel. Wir wollen Menschen zu selbstständigem Handeln und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermutigen und Hürden abbauen.
- Auch in der Behindertenhilfe gilt für uns, unabhängig von finanziellen Fragen, der Grundsatz „ambulant vor stationär“.
- Barrierefreiheit, gerade auch im digitalen Bereich, muss eine Selbstverständlichkeit werden.
- Antragstellung beim Bezirk muss auch in einfacher Sprache möglich sein, um es Betroffenen möglich zu machen, sich selbst zu vertreten.
Im Bereich der schulischen Bildung fordern wir:
- Das Know-How der Förderschulen und ihre Rolle als Kompetenzzentrum muss den Regelschulen vermittelt bzw. vor Ort vertieft werden. Der Besuch einer Förderschule ist auf Wunsch immer zu ermöglichen, ebenso die Öffnung der Förderschulen für alle Kinder, die vereinzelt schon stattfindet. Aus diesen Erfahrungen ist ein Konzept der landesweiten Eingliederung von beeinträchtigten Schulkindern in den Regelunterricht zu entwickeln.
- Wir wollen, dass eine Inklusionspauschale nach dem Vorbild des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) eingeführt wird. Dies dient dazu, den schulischen Sachaufwandsträgern ausreichenden Spielraum zu geben, damit die notwendigen Rahmenbedingungen für eine inklusive Beschulung geschaffen werden können. Die Inklusionspauschale gewährt bei Umbaumaßnahmen, bei der Anschaffung von technischen Hilfsmitteln oder bei Personalkosten unbürokratisch und zügig die erforderliche Unterstützung.
- Zudem wollen wir, dass die Regelschulen mit genügend gut ausgebildetem Personal für die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen ausgestattet werden. Langfristig sind Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter vom Kultusministerium zu bezahlen.
- Ein Schulbegleiter soll auch mehrere Schüler betreuen können und dürfen.
- Regelschulen brauchen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung einen erhöhten Ausbildungs- und Stellenschlüssel für die beteiligten Lehrkräfte. In einer unabhängigen Schule müssen Bildungsgutscheine das Potenzial der Schülerinnen und Schüler widerspiegeln.
Wir fordern zudem:
- dass das bewährte Instrument der Hinzuverdienstarbeitsplätze für psychisch Kranke in die neuen Regularien des Bundesteilhabegesetzes überführt und damit einer sicheren Grundlage zugeführt wird.
- dass der begonnene Paradigmenwechsel, weg von der pauschalierten institutionellen Förderung hin zur individuellen, an den subjektiven Bedarfen des Einzelnen ausgerichteten Förderung durch eine konsequente Umsetzung des Teilhabeplanverfahrens oder ggf. des Gesamtplanverfahrens weiterverfolgt wird. Das neu geschaffene Gremium der Arbeitsgruppe zum Instrument der Bedarfsermittlung ist fachlich und organisatorisch zu begleiten, um eine möglichst unbürokratische Handhabung zu erarbeiten und fortzuentwickeln. Es muss dabei auf die individuelle Situation eingegangen werden. Gleichzeitig braucht es aber auch eine Katalogisierung von bestimmten Leistungsinhalten, die standardtypisch sind, um Verfahren für beide Seiten zu beschleunigen.
- dass die nach dem neuen SGB IX definierten Voraussetzungen und Verfahren der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Rehabilitationsträgern vereinfacht werden und eine Mehrfachbegutachtung ohne Anlass aus dem Kreis des Berechtigten, d.h. ohne die Veranlassung durch Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohter Menschen, nicht erfolgen dürfen. Die umfassende, trägerübergreifende Bedarfsfeststellung ist konsequent zu etablieren, um unnötige Streitigkeiten hinsichtlich möglicher Trägerzuständigkeiten zu Lasten der Berechtigten zu vermeiden. Dies führt zu einer serviceorientierten Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger.
Der Bezirk soll schlussendlich mit seinem geballten Fachwissen und kommunikativer Expertise mit den verschiedenen Leistungserbringern und Leistungsträgern Anlaufstelle und Zentrum für Behinderte werden. Innerhalb der kommunalen Ordnung soll der Bezirk die Prozesse in der Behindertenhilfe vernetzen und vorgeben.