Themenschwerpunkt Leben, Arbeiten, Lernen
Landtagswahlprogramm
Bei allen strukturellen Unterschieden der Teilregionen Unterfrankens muss es überall gleichwertige Chancen beim Zugang zu Bildung und zur Versorgung und für das alltägliche Leben geben. Bildung ist essenziell für die Persönlichkeitsentwicklung und die eigenen Lebenschancen. Das beginnt mit der frühkindlichen und schulischen Bildung und endet nicht mit den Möglichkeiten des lebenslangen Lernens.
Die Möglichkeiten zu einem lebenslangen Lernen müssen vorhanden sein. Für die FDP Unterfranken ist wichtig, dass Kinderbetreuung und ein grundlegendes und umfassendes Bildungsangebot unabhängig vom Wohnort erreichbar sein müssen. Dies ist unerlässliche Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Unterfranken. Konkret fordern wir
- ein Mindestangebot an Kinderbetreuung in allen Regionen Unterfrankens. Hierbei begrüßen wir explizit alle Kindertagesstätten in kommunaler, kirchlicher und freier Trägerschaft. Sofern gerade in den strukturschwachen Teilen Unterfrankens klassische Kinderbetreuungsangebote wirtschaftlich nicht sinnvoll betrieben werden können, setzen wir uns für eine gewisse Zentralisierung und Zusammenlegung ein. Um Strukturen aufrecht erhalten zu können und Belastungen für Eltern durch Fahrtwege abzudämpfen, sollen die Kosten durch staatliche Unterstützung aufwandsneutral ausgeglichen werden. In Regionen, in welchen aufgrund geringer Kinderzahlen ein sinnvolles Betreiben von Kindertagesstätten nicht möglich ist, setzen wir auf private Kindertagespflege.
- Schulen unterfrankenweit möglichst aufrechtzuerhalten. Diese müssen die bestmögliche personelle und materielle Ausstattung haben. Dazu zählt ganz besonders eine digitale Ausstattung. Außerdem soll jede Schule Barrierefreiheit gewährleisten. Grundschulen sollen möglichst wohnortnah und erreichbar sein. Falls in entlegeneren Gebieten die Schulwege besonders weit sind, soll eine Beauftragung von privaten Personenbeförderungsunternehmen genutzt werden. Die Mehrkosten übernimmt der Freistaat Bayern. Bei weiterführenden Schulen stehen wir darüber hinaus einem tragbaren und sozial verträglichen HomeSchooling-Konzept positiv gegenüber. Dabei müssen die Bedürfnisse der kindlichen Entwicklung im Vordergrund stehen.
- Bildungschancen unabhängig zu machen vom Geldbeutel der Eltern oder dem Stadtviertel, in dem man aufwächst. Aus diesem Grund setzen wir uns für ein Pilotprojekt “Talentschulen” in Unterfranken ein.
- Bildungszentren zu schaffen, um den jährlichen Schulabsolventen auch nach dem Schulabschluss eine Perspektive in jeder Region zu geben, damit sowohl ein Studium als auch eine Ausbildung oder beides absolviert werden können. Durch einen Zusammenschluss von Ausbildung, Berufsschule und Hochschule in Form von Bildungszentren soll ein vielfältiges Angebot geschaffen werden. Der Ausbau von Ausbildungsschulen könnte in Form von Projekten umgesetzt werden, um Ausbildungsberufe attraktiver zu gestalten.
- eigenständige Außenstellen von Universitäten und Fachhochschulen in geeigneten Regionen Unterfrankens zu errichten. Dabei soll die Außenstelle eine Chance für die Gemeinde als Wirtschaftsstandort darstellen, da sie mit ihren Forschungseinrichtungen von einem Innovationsschub profitieren. Forschung und Entwicklung bieten für die Kommunen immer eine Chance auf Ausgründungen und Startups und damit für die Schaffung attraktiver Arbeitsplätze. Wo es sinnvoll erscheint, können ungenutzte Flächen zu einem Campus umgestaltet werden. Auch der Knappheit preiswerter Studentenwohnungen in den Ballungszentren wird entgegengewirkt, indem neue Studentenwohnheime in die Entwicklungsplanung außerhalb der Ballungszentren einbezogen werden.
- Dem Lehrer- und Erziehermangel hier im Norden Bayerns endlich aktiv entgegenzutreten. Unterfranken darf nicht die hier ausgebildeten Lehrer regelmäßig nach München verlieren. Besonders in Grenzregionen muss dabei auch die Abwanderung von pädagogischen Fachkräften (Erzieher und Lehrkräfte) in angrenzende Bundesländer durch spezielle und verbindliche Angebote gestoppt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Lehrkräfte-Situation und -Wanderung in Unterfranken ehrlich und schonungslos dargelegt, evaluiert und mit gezielten Maßnahmen seitens der Staatsregierung verbessert wird.
Sowohl in urbanen als auch in ländlichen Regionen setzen wir uns für eine hochwertige bedarfsgerechte ambulante und stationäre gesundheitliche Versorgung. Deshalb fordern wir:
- Als Antwort auf die schlechte medizinische Versorgungssituation des ländlichen Raums wollen wir innovative Versorgungsstrukturen fördern und etablieren:
- Die Bildung von integrierten Gesundheitszentren (IGZ) sorgt für eine verbesserte allgemein- und fachärztliche ambulante Versorgung vor Ort. Diese können mit Fahrdiensten ergänzt werden, damit auch bei weniger mobilen Personen regelmäßig ein Arztbesuch gewährleistet wird. Hierzu wollen wir kommunale IGZ fördern. IGZ sind multidisziplinäre Gesundheitseinrichtungen, in denen Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal und weitere Heilberufe medizinisch ambulant tätig sind.
- Im Rahmen der geplanten Notfallreform der Bundesregierung wollen wir frühzeitig die Bildung von stationären und ambulanten Notfallräumlichkeiten, die im Notfallbetrieb angefahren werden können, die Notfallsanitäter bedarfsgerecht flächendeckend im Bezirk Unterfranken ermöglichen und die entsprechende Standorte identifizieren. So wird eine rasche medizinische Notfallversorgung vor Ort gewährleistet.
- Wir wollen kommunale medizinische Versorgungszentren (kMVZ) fördern und bilden, vor allem dort, wo der Mangel an Ärztinnen und Ärzte am stärksten ausgeprägt sind. Zusammen mit der Ärztekammer werden wir hierzu Standorte identifizieren und etablieren.
- Die projektbezogene Umsetzung des Modells des Gemeinde-Notfallsanitäters mit dem Ziel, die niedrigschwellige Versorgung und Vorversorgung flächendeckend anbieten zu können. Die Pilotprojekte aus dem nördlichen Bundesgebiet sollten auch in Unterfranken Einzug halten. Hierzu sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, insbesondere in den Kooperationen mit den örtlichen kommunalen Kliniken.
- Im Rahmen der geplanten Krankenhausstrukturreform setzen wir uns in Unterfranken für eine bedarfsgerechte hochwertige stationäre Versorgung ein.
- Deshalb werden wir notwendige fachliche und strukturelle Vernetzungen von Krankenhäusern im Rahmen der bezirklichen Möglichkeiten unterstützen. Denn Krankenhausplanung und Krankenhausinvestitionen sind primär Aufgaben der Staatsregierung, die wir konstruktiv begleiten werden.
- Krankenhäuser, die dringend ein Upgrade benötigen, werden wir unterstützen.
- Notfallversorgung ist die Basis der medizinischen Versorgung. Hier werden wir die flächendeckenden Notfall- und Rettungsdienststrukturen weiter ausbauen, damit Patienten zeitig in ein entsprechendes Krankenhauszentrum transportiert werden. Hierzu ist die Vorhaltung der Geburtshilfe von besonderer Wichtigkeit.
- Die Einrichtung und den Betrieb von Geburtshäusern sowie hebammengeführten Kreißsälen in Unterfranken möchten wir fördern.
- Für eine moderne Gesundheitsinfrastruktur muss die digitale Anbindung überall existent sein. So können neue Behandlungsformen wie in der Telemedizin immer gewährleistet werden. Netze, egal ob kabelgebunden oder terrestrisch, sowie 5G werden wir in Unterfranken fördern.
- Die Situation der ambulanten und stationären Pflege muss in städtischen und ländlichen Regionen verbessert werden. Deshalb wollen wir regional innovative Lösungen anbieten:
- Menschen mit Demenz sollen mit alternativen Wohnformen durch den Bayerischen Innovationsfonds in Unterfranken gefördert werden. Diese Projekte zur Bewältigung des Versorgungsnotstands bei demenziell Erkrankten werden wir durch geeigneten Wohnraum fördern.
- Neue Wohnmodelle wie Senioren-WGs, Seniorengenossenschaften oder ambulant betreute Wohngemeinschaften können die Antwort auf einige Herausforderungen des demographischen Wandels sein. Gleichzeitig können sie das Problem von ineffizienter Wohnraumnutzung oder Vereinsamung älterer Menschen lösen. Diese innovativen Wohnformen werden wir im Bezirk unterstützen und weiterentwickeln.
- In Unterfranken besteht Nachholbedarf beim Angebot von Tagespflegeplätzen und vor allem Kurzzeitpflegeplätzen. Diese wollen wir weiter ausbauen und können integrativer Bestandteil eines IGZ werden.
- Wir werden die Rahmenbedingungen für Nachbarschaftspflegekonzepte ähnlich wie „Buurtzorg“ (Buurtzorg geht neue Wege in der Pflege und setzt auf selbstverantwortete Teams) auch in Unterfranken schaffen.
- Wir setzen zusätzlich auf das Konzept von „Dorfschwestern“ mit entsprechenden Kompetenzen, wie es etwa in der Rhön diskutiert wird; dies kann gerade in ländlichen Räumen für eine regelmäßige und wohnortnahe Versorgung helfen.
- Grenzen zu anderen Bundesländern dürfen keine Hindernisse für Pflegedienste bilden, wohnortnahe Pflege darf nicht an unterschiedlichen Mehrfach-Zulassungsverfahren der benachbarten Bundesländer scheitern.
Auch in ländlich strukturierten Regionen müssen für alle Altersstufen die Angebote für das alltägliche Leben im Ort vorhanden sein.
Dafür muss langfristig eine zielorientierte und individuell anpassbare Rahmenlösung gemeinsam mit dem Freistaat, den Landkreisen und den Gemeinden erarbeitet werden, um strukturelle sowie wirtschaftliche Nachteile auszugleichen und für Chancengleichheit unabhängig vom Lebensstandort zu sorgen. Es braucht eine Deckung von Grundbedürfnissen und Grundstrukturen (a) sowie eine überregionale gemeindliche Zusammenarbeit (b).
a) Für eine Gewährleistung von Grundbedürfnissen und Grundstrukturen vor Ort fordern wir:
- Unabhängig von Alter, Arbeitsstelle und finanzieller Situation muss es für alle Bevölkerungsgruppen möglich sein, Dinge des täglichen Bedarfs und notwendige Dienstleistungen wohnortnah einzukaufen. Daher muss es mehr Offenheit für alternative Geschäftsmodelle geben. Bürokratische Hürden müssen wir abbauen und den Geschäftseinstieg leichter gestalten. Gerade in kleinen Orten Unterfrankens müssen deshalb Kleinstläden unbürokratisch ermöglicht werden. Modelle wie automatisierte Lebensmittelläden oder unbemannte Kleinstversorger-Geschäfte müssen ermöglicht werden. Sie dürfen nicht schon an Ladenöffnungszeiten scheitern.
- Wir unterstützen Ansiedlungsbestrebungen von Unternehmen, Einzelhandel und Forschung und Handwerk im ländlichen Raum.
- Wir schaffen Arbeitsplätze und neue Gemeinschaft. Zudem sind zusätzliche Mischkonzepte der Flächennutzung für Einzelhandel, Dienstleistungen, Handwerk denkbar.
- Auch um eine Abwanderung zu stoppen, müssen strukturschwache Gebiete Hilfen auch für diese Notwendigkeiten des täglichen Lebens erhalten.
- Auch neue Zentrenkonzepte mit innovativen Formaten (z.B. Mischkonzept Einzelhandel, Dienstleistungen, Handwerk) sind denkbar und sollten bei ihrer Einführung und Erprobung unterstützt werden.
- Gerade außerhalb der Zentren ist das Ehrenamt zentral für das Leben vor Ort. Deshalb müssen alle bürokratischen Hindernisse abgebaut werden, die einer engagierten, freiwilligen Arbeit im Wege stehen. Überzogene Anforderungen wie Veranstaltungen oder einfachen Dienstleistungen, die oft nur der Absicherung der Verwaltung dienen, müssen beseitigt werden. Es muss allen darum gehen, das Ehrenamt wertzuschätzen und freiwilligem Engagement für die Gesellschaft keine Steine in den Weg zu legen.
- Wir wollen mehr Anreize für das Engagement bei Feuerwehr und Katastrophenschutz schaffen. Insbesondere muss es dabei um die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft und die Alarmzeiten gehen. Durch das Pendeln zum eigenen Arbeitsplatz kommt es häufig zu Unterbesetzungen. Dieser potenziellen Gefährdung wollen wir entgegenwirken. Der Freistaat muss dringend alle seine Möglichkeiten ausschöpfen, Ehrenamtliche in Feuerwehr und Katastrophenschutz steuerlich zu begünstigen und Verlustausgleich beim Arbeitsplatz zu bezahlen. Zudem braucht es die gesetzliche Regelung eines Rechtsanspruchs auf Einsatzteilnahme im Alarmfall.
b) Um Strukturen wirtschaftlich zu halten, fordern wir für eine überregionale gemeindliche Zusammenarbeit folgendes:
- Eine vertiefte kommunale Zusammenarbeit zwischen strukturschwachen Gemeinden und Gemeinden in strukturschwachen Regionen, damit die örtliche Grundversorgung gesichert ist und regionale Wirtschaftskraft gebündelt werden kann. Zu diesem Zwecke wollen wir uns regional vor Ort für die Gründung von Zweckverbänden, das Betreiben gemeinsamer Gewerbegebiete sowie sonstiger Baugebiete einsetzen, wenn dies im Einzelfall sinnvoll ist. Der Bildung von Pflichtverbänden sowie Verwaltungsgemeinschaften verschließen wir uns nicht, insbesondere wenn dadurch die föderal-regionale Vielfalt Bayerns bewahrt werden kann und das Zusammenlegen und Auflösen von Gemeinden vermieden werden kann.
- Eine ausgebaute Verkehrs- und Digitalinfrastruktur sowie eine lebenswerte Umgebung in Gemeinden, welche sich in der Nähe wirtschaftsstarker Verdichtungszentren (wie Würzburg, Aschaffenburg und Schweinfurt) befinden. Neben Park‘n’Ride-Konzepten, flexiblen und bedarfsorientierten Buslinien, einem Ausbau des Straßennetzes sowie eine 5G-Ausbau, setzen wir uns insbesondere auch für attraktive Wohn- und Arbeitsverhältnisse und guten Kinderbetreuungsangeboten ein.